Man reist nicht alle Tage nach China, braucht es doch gerade für eine Chorgemeinschaft Kontakte und Einladungen, um eine derartige Reise zu ermöglichen. So trug es sich aber zu, dass der damalige Obmann Wolfgang Furtmüller eine Zeit lang in China arbeitete, und es ergaben sich durch Gespräche mit der Österreichischen Botschaft Kontakte zu Konzertveranstaltern. 115 Personen ans andere Ende der Welt zu bringen, war trotzdem eine gewaltige Aufgabe.
Spät, aber doch kam Mitte März 1999 endlich die Einladung von offizieller chinesischer Seite. Nun hatten aber einige Chormitglieder schon ihren Urlaub gebucht, andere mussten erst ihre Flugangst überwinden.
Auch das Programm stellte vorerst ein Problem dar. Obwohl von Anfang an den Gastgebern das Oratorium Die Schöpfung von Joseph Haydn und Johann-Strauss-Konzerte angeboten worden waren, kam von chinesischer Seite der Wunsch, anstelle der Schöpfung den Messias zu singen – wegen des religiösen Inhalts! Schließlich entschied man sich doch für eine Aufführung der Schöpfung und ein Strauss-Konzert in Shanghai sowie für zwei Strauss-Konzerte in Peking.
Am Donnerstag, dem 26. 8. 1999, war es aber dann soweit:
Die Reisegruppe – 49 Chorsänger, 43 Orchestermitglieder, eine Sprecherin (Michelle Hübner), ein Dirigent, drei Solisten, zwei Funktionäre und 15 Fans des Chores – startete Richtung Fernost.
Nach feierlicher Verabschiedung durch den Bürgermeister von Leonding, Dr. Herbert Sperl, ging es um 8:00 Uhr Früh per Bus nach Wien-Schwechat und mit einem 10 ½-stündigen Flug nach Shanghai.
Erster Tag in China ...
Shanghai empfing die Reisegruppe mit einer warmen Regendusche. Mit dem Bus ins Hotel und mittags das erste chinesische Essen, das war für die meisten etwas Neues: An großen, runden Tischen für ca. zehn Personen waren auf einer drehbaren Platte in der Mitte des Tisches verschiedenste Speisen angerichtet, von denen sich jeder nach Gusto bedienen und dabei erste Erfahrungen im Umgang mit Stäbchen sammeln konnte.
Am Nachmittag wurde das Shanghai-Museum besucht, das in großartigen Sammlungen einen interessanten Überblick über verschiedene kulturelle Bereiche in der chinesischen Geschichte bot.
Nach dem Abendessen stand noch eine Busfahrt zum TV-Turm und zum Stadtbezirk Pudong, dessen Uferpromenade am Huangpu zu einem Spaziergang einlud, auf dem Programm.
Zum Frühstück gab es vertraute Speisen, wie Gebäck, Schinken, Käse, Kaffee, Marmelade. Für viele wurde das Frühstück daher zur Lieblingsmahlzeit des Tages. Am Vormittag lustwandelten die Musiker im Yuyuan Garden. Nach dem Mittagessen stand der Nachmittag zur freien Verfügung bis zur Abfahrt zum Konzerthaus um 16:00 Uhr. Es war ein erhebendes Gefühl, sich auf dem Plakat neben dem Eingang zu erkennen. 19:30 Uhr Konzert: Die Schöpfung. Der Saal war zu ca. 2/3 besetzt (ca. 500 Personen). Das durchschnittlich eher junge Publikum machte einen interessierten Eindruck und sparte nicht mit Applaus.
dritter Tag ...
Am Vormittag gingen sich noch ein Besuch des Jade-Tempels und ein Einkaufsbummel in der Nanjing Road aus, denn für den Nachmittag stand Ausruhen für das Konzert am Abend auf dem Programm.
Die ca. 600 Besucher tauten im Laufe des Strauss-Konzertes sichtlich auf und verließen den Saal in fröhlicher Stimmung. Michelle Hübner hatte wie schon erwähnt durchs Programm geführt.
vierter Tag ...
Ein Reisetag. Zuerst fuhr man zu dem nahegelegenen Suzhou, besichtigte die Befestigungsanlagen, den Großen Kanal und eine Seidenfabrik.
Am Abend, nachdem man wieder nach Shanghai zurückgekehrt war, hieß es Gepäck und Lunchpaket abholen, dann wurden alle mit Bussen zum Bahnhof gebracht. Vorbei an Hunderten mit Säcken und Körben auf dem Boden vor dem Bahnhofseingang wartenden Chinesen ging es zum Zug, und alle waren froh, ihre Koffer und ihren Schlafplatz in einem kabinenlosen Schlafwagen gefunden zu haben. In den Schlafkojen und dem Speisewagen verspeisten die Reisenden den Inhalt ihrer Lunchpakete und riefen spontane Kartenpartien aus. Der Speisewagen wollte um 21:00 Uhr schließen. Nach heftigem Protest der Langnasen-Ausländer und dem Versprechen, dem Kellner ein angemessenes Trinkgeld (pro Person damals ungefähr 10 Schilling) zu geben, blieb er zur Freude einiger gar nicht müde werden wollender Musiker offen.
fünfter Tag ...
Ein müder Morgen, kein Frühstücksbüffet, nur der Geruch der violetten Bohnensuppe, die vom Zugpersonal auf einem Wagen durch die Gänge gezogen wurde, empfing die Reisenden. Keiner hat diese Art von Frühstück gekostet! 10:00 Uhr Ankunft in Peking mit generalstabsmäßigem Abholdienst durch drei junge, deutschsprechende Chinesen, die ab nun die ständigen Begleiter und Führer der Reisegruppe waren. Es konnte wirklich keiner die drei Wimpel übersehen, mit denen sie die Gruppe durch das Bahnhofsgewühl und die Massen auf dem Bahnhofsplatz dirigierten.
Und doch fehlte dann eine/r im Bus beim Zählen! – Nach mehreren Zähldurchgängen und einer Wartezeit von 30 Minuten stellte sich heraus, dass sie Michelle Hübner (eine gebürtige Taiwanesin) nicht mitgezählt hatten, da sie sie für eine Einheimische hielten, dabei war sie aber eine der 115 Mitreisenden.
Endlich konnte es in zäher Fahrt durch den Pekinger Verkehrsstau ins Hotel weitergehen. Anschließend wurde der Sommerpalast besichtigt. Es folgte ein beschaulicher, aber zu kurzer Rundgang durch die herrlichen Palast- und Parkanlagen, und schließlich gelangte man nach einer Busfahrt durch den Nachmittagsstau zu einem speziellen Restaurant zum Pekingente-Essen, das den meisten reichlich suspekt erschien. Man servierte den Magen und das Herz der Ente als Vorspeise, eine Suppe, bei der es sich vermutlich um Entensuppe handelte, und die knusprige Entenhaut in zarten Omelettes mit Sojasauce, Hummerflakes und Porreestreifen, aber kein Entenfleisch!
Gegen 22:00 Uhr begann der Abstieg von der Chinesischen Mauer Richtung Hotel, wo sich noch eine größere Runde zu einem lauschigen Ausklang des Abends zusammenfand.
Der Tag war ausgefüllt mit einem Ausflug zur Chinesischen Mauer bei Jinshanling. Zuvor wurden die Ming-Gräber besichtigt, nach dem Mittagessen wurden alle bei herrlichem Wetter und einer leichten Brise zur Mauer geleitet, die nach hartnäckigem Empfang durch eine Horde schon wartender Souvenirverkäufer erstiegen wurde, wobei sich immer neue Ausblicke in die Landschaft und auf den Verlauf der Mauer boten. Eine wahre Fotografier-Ekstase brach aus. Gegen 18:00 Uhr sammelte sich die ganze Gruppe auf einem der Türme, der zur Begrüßung mit einem riesigen Willkommenstransparent und Lampions geschmückt war. Dort fand ein TV-Interview mit Uwe Harrer und Wolfgang Furtmüller statt, das als Ankündigung der Peking-Konzerte gesendet wurde.
Für die TV-Reportage wurde auch gesungen, gespielt und getanzt – das erste Mal seit Bestehen der Mauer ein Wiener Walzer! Anschließend gab es ein Picknick mit gebratenem Lamm und genügend Bier für alle. Nach geselligem Beisammensein mit Gesang und Tanz wurde dieser wunderbare Tag mit dem Singen der oberösterreichischen Landeshymne beendet.
Der Obmann brachte den Sinn des Textes den anwesenden Chinesen in ergreifender Weise nahe. Voll Andacht lauschten sie dem Gesang. Den Tränen nahe bedankte sich einer der chinesischen Funktionäre mit den Worten: „Die, die so eine wunderschöne und einfühlsame Hymne haben, müssen sehr gute Menschen sein.“
Siebenter Tag ...
Chinesisches Frühstück – die meisten hungerten bei vollem Tisch. Nur wenige Mutige wagten sich an die Reisschleimsuppe oder die chinesische Wurst.
Nach einem Mittagessen auf der Fahrt zurück nach Peking blieb nicht mehr sehr viel Zeit bis zur Probe. Da staunten alle, als sie feststellten, dass den Pekingern die Musik von Johann Strauss allein zu wenig war. Sie bereicherten die Instrumentalstücke durch das parallele Zeigen von Ausschnitten aus alten Sissi- und Operettenfilmen.
Das Konzert war bestens besucht (die Halle fasste an die 2 000 Zuhörer!), und wie in Shanghai taute das Publikum bei den ausdrucksstarken Darbietungen der Solisten emotional auf und zeigte sich besonders bei den Zugaben begeistert, für die sich Orchestermitglieder und Solisten besondere Gags ausgedacht hatten. Beim Chineser Galopp von Johann Strauss Vater setzten einige der Orchestermusiker Chinesenhüte auf, die sie im Laufe der Reise erstanden hatten. Das „Stoßt an ...“ aus Die Fledermaus wurde in der Zugabe chinesisch – „gambej“ – gesungen. Die Einladung zum Mitklatschen beim Radetzkymarsch war fast nicht nötig, und man spürte die gute Laune, in der die Zuhörer den Saal nach dem Konzert mit gambej-Rufen verließen.
achter Tag ...
Am Vormittag wurde der Tian´anmen-Platz und der eindrucksvolle Kaiserpalast besucht. Das Mittagessen nahm man in einem Restaurant ein, in dem der Genuss des Essens durch tänzerische Darbietungen verfeinert wurde. Das Konzert am Abend verlief so erfolgreich wie jenes am Vortag. Beim anschließenden Abendessen, das – mit Lob- und Dankesreden garniert – den offiziellen festlichen Abschluss der erfolgreichen China-Konzerte darstellte, fehlte jedenfalls eine Reihe von Leuten, die vorzeitig in die Ruhe ihres Hotelzimmers geflüchtet waren.
neunter Tag ...
Abreisetag der ersten Reisegruppe. Eine zweite Gruppe blieb noch zwei Tage in Peking, eine kleine Gruppe von elf Personen schloss noch eine erweiterte Besichtigungstour an und kehrte erst am 11. 9. 1999 zurück.
Ein großes Unternehmen war dank der hervorragenden Leistung des Organisationsteams erfolgreich und unproblematisch zu Ende gebracht worden.
Noch heute – viele Jahre später – leben die Eindrücke in bunten Erzählungen in geselliger Runde immer wieder auf und erfreuen gleichsam Reiseteilnehmer und Daheimgebliebene.